Heimatmusik verbindet Menschen: Heute so stark wie nie zuvor

Aktuelle Ereignisse und Veranstaltungen sowie bestehende Initiativen zeigen, dass Heimatmusik imstande ist, Menschen vor allem auch über Länder-, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg miteinander zu verbinden. In Zeiten, in denen die Flüchtlingskrise und die Frage so brandaktuell ist, mit welchen Mitteln man zur Integration einer Vielzahl hinzugekommener und kommender Flüchtlinge vor allem auch aus Syrien beitragen kann, ist es besonders wichtig, Dinge wie die Heimatmusik und deren Potenzial zu betonen.
Die Heimatmusik liegt unzähligen Menschen in Österreich und Deutschland am Herzen. Schließlich schwingt in ihr, wie der Name schon sagt, immer der Klang der Heimat mit. Dieser Klang schenkt Geborgenheit, er erinnert vielleicht an vergangene Zeiten, Kindertage, die erste Liebe und er verbindet. Er verbindet die Menschen, die diese Erinnerungen und Gefühle teilen, die beim Hören in ihnen entstehen.
Doch Heimatmusik gibt es selbstverständlich auf der ganzen Welt. Viele Länder haben Musikrichtungen und -stile, die ähnliche oder gleiche Dinge in ihnen auslösen. Und die sich von deutscher Heimatmusik nur dadurch unterscheiden, dass sie in unseren Ohren anders klingen.
Leider ist der Begriff "Heimat" in Österreich und vor allem auch in Deutschland für viele Musiker und Musikhörer problematisch. Natürlich hat das mit der deutschen Geschichte zu tun. Und damit, dass die Nationalsozialisten und die SED das Heimatlied für ihre Zwecke missbrauchten. Die Heimatmusik selbst kann dafür aber nichts. Selbst Vorwürfe wegen rechtspopulistischer Tendenzen, wie diese jüngst den erfolgreichen Musiker Andreas Gabalier trafen, können der Seele der Heimatmusik eigentlich nichts anhaben. Zumindest nicht, solange sich Musiker, wie Hörer mit wahrer Tradition und dem Herz, das in der Heimatmusik mitklingt, beschäftigen. Solange es Vorbilder, wie die Schlagersängerin Claudia Jung gibt, die sich im Zuge der Flüchtlingsdebatte schon im Jahr 2015 gegen Fremdenhass aussprach. Und solange der Begriff "Heimat" produktiv und positiv verstanden wird.
Den Begriff der Heimat für die Musik neu entdecken
Seit der großen Koalition Anfang 2018 gibt es in Deutschland ein Bundesheimatministerium. Im Rahmen dessen Einführung forderte auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Einführung eines solchen Ministeriums – allerdings erfolglos.
Um was genau es diesem Ministerium in Deutschland geht, das weiß niemand so ganz genau. Erklärt wird immer wieder, dass die Politik den Bürgern mit einer Neudeutung des Heimatbegriffes eine symbolische Funktion der Sicherheit vermitteln wolle. Einer Art Heimatlosigkeit, die nicht nur viele Flüchtlinge in Deutschland, sondern auch verunsicherte Bürger spüren, soll entgegengewirkt werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte dazu: "Es geht um Demokratie, Verantwortung, Einstehen für den anderen – eben um den Zusammenhalt in Deutschland."
Doch damit bleibt der Begriff der Heimat sehr abstrakt. Konkreter wird dieser allerdings, wenn Heimatverbände die Möglichkeiten, die durch das Bundesheimatministerium geschaffen werden, nutzen, um Menschen mit der eigenen Kultur besser vertraut zu machen. Denn viele wissen schon gar nicht mehr, was die eigene Kultur und Tradition ausmacht und neigen dann nicht selten auch dazu, reaktionäre Ansichten zu entwickeln, die den Zusammenhalt eher weiter zerstören.

Heimat und Volkslied sind durchaus Begriffe, die für die meisten Menschen sehr vage sind.
In Mecklenburg-Vorpommern etwa macht der Heimatverband so etwas mit Unterstützung der Landesregierung. Das Programm "Meine Heimat. Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern" führt Menschen näher an die eigene Kultur heran. Die Volksmusik und das Heimatlied spielen dabei auch eine entscheidende Rolle. Was heißt das eigentlich alles? Was zeichnet Musik aus, die von der Heimat singt und diese evoziert? Denn Heimat und Volkslied sind durchaus Begriffe, die für die meisten Menschen sehr vage sind. So sind für den einen Fußballgesänge eine Art des modernen Volksliedes. Ein anderer würde diesen Begriff lediglich für Lieder verwenden, die schon mehrere hundert Jahre alt sind. Doch auch Kunstlieder, wie zum Beispiel "Am Brunnen vor dem Tore" können im Laufe der Jahre zum Volkslied geworden sein.
Gerade auf Länderebene könnten Einrichtungen wie ein Heimatministerium gar einen Trend setzen für ein neues Verständnis von Heimat. In Österreich – etwa an der Kunst Universität Graz – kann Volksmusik bereits studiert werden. Eine intensive Beschäftigung mit Volks- und Heimatmusik könnte dazu beitragen, dass vor allem auch eine nachkommende Generation eventuell zeitgemäßere Formen dieser Musik entwickelt und deren Seele damit angepasst weiterträgt. Denn genau wie die Heimat selbst, muss sich auch Heimatmusik immer verändern, um das Leben in ihr zu erhalten. Und dafür muss sie sich auch beeinflussen lassen – andernfalls wird sie antiquarisch oder stirbt sogar aus.
Heimat gemeinsam vertonen – Ja, das geht
Selbst Heimatmusik-Fans, die betonen, dass alles so bleiben muss, wie es schon immer war, muss gesagt werden: Es war eben nicht immer alles so, wie es ist. Etwa die "Stubenmusi", welche die Bayern so lieben und die es scheinbar schon seit Jahrhunderten gibt, entstand so erst in den 1950er Jahren und ist damit eher noch eine junge Tradition. Aber um was geht es denn letztlich eigentlich, wenn es um Heimatmusik und ihr Potenzial geht?
Eigentlich geht es darum Heimatmusik zu lieben und zu akzeptieren – egal woher sie kommt. Denn niemand möchte die eigene Heimatmusik genommen bekommen. Und deshalb sollte man sie gegenseitig respektieren und für internationalen Zusammenhalt bestenfalls Interesse am Fremden zeigen.

Handzuginstrumente spielen auch in anderen Ländern eine wichtige Rolle in der Heimatmusik. Lernt man sie und die unterschiedliche Musik, die mit ihnen gemacht wird, näher kennen, versteht man die Gemeinsamkeiten der Heimatmusik unter Umständen besser.
Längst mit bestem Beispiel hierfür voraus geht die "Banda Comunale" oder auch "Banda Internationale". Die 2001 gegründete 15-köpfige Band zeigt, dass Musiker aus den verschiedensten Kulturkreisen und mit den unterschiedlichsten Hintergründen sich zusammenfinden können, um ihre Einflüsse aus der jeweiligen Heimat einzubringen. Und gemeinsam mit den anderen zu einem in der Gruppe vertonten neuen Heimatsound zu entwickeln. Die Heimat wird dabei zur Heimat auf der Welt, auf dem Planeten. Womit deutlich gemacht werden soll, dass Heimatmusik im Grunde überall das Gleiche ausdrückt und sie überall gleich kostbar und geschätzt ist. Und dass hierfür gegenseitiger Respekt gefragt ist.
Gegründet wurde die Band als Reaktion gegen Neonaziaufmärsche in Berlin Anfang der Jahrtausendwende und ab 2015 suchte die Band gezielt nach Flüchtlingen, die Musik machten. So verstärkte sich die Band seitdem mit Bandmitgliedern, die unter anderem aus Syrien, Iran, Irak, Palästina und Burkina Faso stammen.
Heute initiiert die Band unter anderem auch Projekte, bei denen junge Menschen etwas über die Herkunftsländer und Fluchtgeschichten der Workshopleiter sowie deren Heimatmusik erfahren und dieser Musik auch lauschen können. Weiterhin werden beispielsweise Instrumentenbauworkshops angeboten. Dort sind immer wieder etwa auch Spezialisten wie Gitarrenbauer oder Handzuginstrumentenmacher aus allerlei Ländern, mit Informationen zu ihrem anspruchsvollen und umfangreichen Handwerk, vor Ort. Natürlich geht es auch ums gemeinsame Musizieren und das Entstehen von frischer und gesunder gemeinschaftlicher Energie durch die Musik.
Wenn ein Bayer und ein Syrer die Liebe zur Volksmusik teilen
Einer der schönsten Sprüche zur Heimatmusik und ihrer eigentlichen Internationalität lautet: "Tradition in Sachen Volksmusik bedeutet auch, die schönsten Stücke von seinen Nachbarn klauen und sie zu seinen eigenen machen". Fremdes also einzuverleiben und es auf die eigene Art in Vermischung mit Altbekanntem neu zu interpretieren. Auch hier gibt es eine ganz starke Verbindung zwischen Volksmusik und Heimat: Dass nämlich gewisse Dinge integriert werden und dass man sich dieser Integration und dem eigenen Erbe sowie der eigenen Heimat jederzeit bewusst ist.

Auch die Zither ist kein Instrument, dass es nur in "unserer" Heimatmusik gibt. In China etwa spielt sie eine mindestens genauso wichtige Rolle. Und sie ähnelt der orientalischen Kanun.
Erst kürzlich schrieb der syrische Kolumnist Mohamad Alkhalaf, der aus seiner einstigen Heimat Syrien nach Bayern floh, in der Süddeutschen Zeitung über seine Heimatmusik. Doch dabei ging es nicht um das, was diese Musik im Speziellen auszeichnet. Vielmehr ging es um die Begegnung mit einem Bayrischen Volksmusiker und die Gemeinsamkeiten, die die beiden hatten. Alkhalaf wurde auf den Mann aufmerksam, weil dieser eine Zither in den Händen hielt, die ihn an die "Kanun", ein orientalisches Zupfinstrument, erinnerte. Die beiden kamen ins Gespräch und schließlich lud der Bayer den Syrer zu sich ein.
Alhalaf machte nähere Bekanntschaft mit der bayerischen Volks- und Heimatmusik, mit den Instrumenten und den Eigenarten. Er stellte fest, dass Töne aus der Zither genauso klangen, wie solche aus der Kanun, was ihn selbst zum Zittern brachte. Er begann die bayerische Volksmusik sogar beim Wandern zu hören, sang sie vor sich her und spielte sie gar bei seiner Hochzeit. In Form einer bayerischen Gruppe, die live Heimatmusik performte. Und obwohl seine syrischen Freunde und Verwandten kein Wort verstanden, tanzten sie und genossen die Musik. "Weil Lieder Herzenssache sind und die Menschen verbinden, egal in welcher Sprache sie gesungen werden", sagt Alkhalaf dazu. Und das kann nun wirklich einfach so stehengelassen werden.
Autor: Philip Kuschmann
Der Autor Philip Kuschmann ist studierter Soziologe und Kulturwissenschaftler und schon seit seiner Kindheit Musikliebhaber. Er unterstützt derzeit verschiedene soziale Projekte und arbeitet als freier Mitarbeiter für diverse Musikzeitschriften.